Prokrastination (Aufschieberitis) - Ursachen und Folgen 📚
- Many S. Hertach
- 30. Sept. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 6. Juli

Wir kennen es bestimmt alle: Eine wichtige Aufgabe steht an, doch stattdessen lenken wir uns mit anderen Dingen ab – Social Media, Hausarbeit oder mit Freunden chatten. Manchmal erscheinen uns auch andere, einfachere Aufgaben verlockender und wir ziehen diese vor. Dieses Verhalten nennt man Prokrastination, im Volksmund auch als ‹Aufschieberitis› bekannt . Das bewusste oder manchmal auch unbewusste Verschieben wichtiger Aufgaben. Obwohl es kurzfristig Erleichterung bringt, kann das langfristige und wiederkehrende Aufschieben ernste Folgen haben, wie etwa erhöhten Stress oder sogar die Gefahr eines Burnout erhöhen.
Was ist Prokrastination?
Prokrastination bedeutet nicht, faul zu sein, sondern es handelt sich um ein sogenanntes ‹Vermeidungsverhalten›. Sofortige kleine Belohnungen – wie Ablenkungen durch Unterhaltung – wirken attraktiver als langfristig wichtige Aufgaben. Ein Teufelskreis entsteht: Je mehr aufgeschoben wird, desto grösser wird der Druck, was zu noch mehr Aufschieben führt. Die Aufgabe wird im Kopf immer präsenter, und die Sorge, nicht rechtzeitig fertig zu werden, wächst. Gleichzeitig wird weiterhin nach kurzfristigen Fluchtmöglichkeiten gesucht, was dazu führen kann, dass der Bezug zur eigentlichen Aufgabe immer mehr verloren geht. Das wiederum führt dazu, dass die Aufgabe resp. der Einstieg in die Erledigung der Aufgabe nur noch schwieriger wird.
Prokrastination ist natürlich nicht mit einem gesunden Prioritäten- und Pendenzen-Management gleichzusetzen. Auch dort müssen Aufgaben manchmal ‹aufgeschoben› oder auf später terminiert werden, weil andere Aufgaben wichtiger oder dringender sind. Bei Prokrastination handelt es sich um das Vermeiden und Aufschieben von Aufgaben, die zu diesem Zeitpunkt gemacht werden sollten und auch gemacht werden könnten.
Warum werden Aufgaben aufgeschoben?
Verschiedene psychologische Gründe erklären das Verhalten:
Angst vor Versagen: Menschen, die Angst haben, dass ihre Arbeit nicht gut genug ist, neigen dazu, Aufgaben aufzuschieben, um der Angst zu entkommen.
Perfektionismus: Perfektionisten verschieben oft Aufgaben, weil sie unter unrealistisch hohen Erwartungen stehen oder auf den ‹perfekten› Moment warten, der jedoch meistens nie kommt.
Fehlende Motivation: Besonders unangenehme oder langweilige Aufgaben werden gerne vertagt, da das Gehirn kurzfristige Belohnungen bevorzugt.
Überforderung: Wenn eine Aufgabe zu komplex erscheint, kann das dazu führen, dass sie erst gar nicht erst in Angriff genommen wird.
Mangel an Selbstdisziplin: In einer Welt voller Ablenkungen, insbesondere durch das Internet, fällt es vielen schwer, die nötige Konzentration aufzubringen.
Prokrastination und Burnout
Burnout ist ein Zustand emotionaler, körperlicher und mentaler Erschöpfung, der häufig mit langfristigem Stress einhergeht. Chronische Prokrastination kann massgeblich zur Entstehung von Burnout beitragen. Studien zeigen, dass Menschen, die häufig aufschieben, langfristig unter höherem Stress stehen. Eine Studie von Sirois (2014) fand heraus, dass Prokrastination nicht nur kurzfristig Stress verursacht, sondern auch zu chronischem Stress führt, was das Risiko für Burnout erhöht. Prokrastination ist oft eine kurzfristige Lösung, um negative Emotionen wie Angst zu vermeiden, führt jedoch langfristig zu negativen Konsequenzen.
Eine weitere Studie von Flett et al. (1995) zeigte, dass Prokrastinierer oft von Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen geplagt sind, was die Motivation weiter senkt und das Risiko für ein mögliches Burnout ebenfalls erhöht. Perfektionismus spielt hier eine grosse Rolle. Wer immer auf den perfekten Moment wartet, um mit einer Aufgabe zu beginnen, setzt sich unter enormen Druck, was nicht nur zu vermehrter Prokrastination, sondern auch zu emotionaler Erschöpfung führen kann.
Besonders gefährdet: Studierende und Perfektionisten
Studierende sind besonders anfällig für Burnout in Verbindung mit Prokrastination. Der Druck, Deadlines für Prüfungen oder Arbeiten einzuhalten, und die ständige Belastung können schnell zu Erschöpfung führen. Eine Studie von Schraw et al. (2007) zeigte, dass Studierende, die häufig prokrastinieren, nicht nur unter Stress leiden, sondern auch eine geringere Lebenszufriedenheit haben. Der Zusammenhang zwischen Prokrastination und Burnout ist auch bei Perfektionisten gut dokumentiert. Unrealistische Erwartungen und der Wunsch nach Perfektion führen oft zu einem ungesunden Verhalten, das das Burnout-Risiko erheblich erhöht.
Langfristige Auswirkungen der Prokrastination
Prokrastination ist in einem gewissen Mass eine Schutzfunktion unseres Gehirns, indem sie uns vor Überforderung und Überlastung bewahrt. Übermässige Prokrastination hingegen bringt viele negative Konsequenzen mit sich. Neben erhöhtem Stress und Burnout führt sie oft zu geringerer Produktivität, was das Selbstwertgefühl senken kann. Die ständige Ablenkung und das Vermeiden von Aufgaben können dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, langfristige Ziele zu verfolgen oder sich über Erfolge zu freuen.
Strategien zur Überwindung von Prokrastination
Die gute Nachricht: Prokrastination ist überwindbar. Mit den richtigen Techniken und ein wenig Selbstdisziplin können Betroffene lernen, das Aufschieben zu vermeiden und produktiver zu arbeiten. Ein Coaching kann dabei unterstützen, indem es den Prozess der Selbstreflexion fördert und dabei hilft, neue Gewohnheiten zu entwickeln.
Folgend habe ich zehn praxisnahe Tipps, die der Prokrastination entgegenwirken können 👉 Die Tipps lassen sich natürlich auch anwenden, wenn man nicht von Prokrastination betroffen ist. In diesem Fall können sie dabei helfen, die eigene Produktivität noch weiter zu steigern. Einige dieser Tipps werde ich in zukünftigen Blog beiträgen noch im Detail vorstellen.
Die 5-Minuten-Regel: Beginne mit der Aufgabe für nur fünf Minuten. Oft reicht dieser kleine Startschub, um weiterzumachen. Bist Du erstmal in der Aufgabe ‹drin›, wird es immer einfacher.
Aufgaben in kleine Schritte zerlegen: Grosse Aufgaben können überwältigend wirken. Durch das Aufteilen in kleine, machbare Schritte wirkt die Arbeit weniger erdrückend. Der Einstieg in die Erledigung der Aufgabe kann so erleichtert werden.
Belohnungssysteme: Setze Dir nach Erledigung einer Aufgabe eine kleine Belohnung, um positive Assoziationen mit der Arbeit zu schaffen.
Perfektionismus loslassen: Perfektion ist selten erreichbar. Diesbezüglich kann ein ‹iteratives› Vorgehen helfen. Es ist besser, einfach mal anzufangen und später Korrekturen oder Verbesserungen vorzunehmen, als eine Aufgabe immer weiter hinauszuschieben, weil man sie von Beginn an ‹perfekt› abliefern möchte.
Selbstmitgefühl üben: Anstatt Dich selbst zu kritisieren, übe Selbstmitgefühl, wenn Du einmal aufgeschoben hast. Verstehen, dass Prokrastination ein menschliches Verhalten ist, kann den inneren Druck reduzieren.
Zeitmanagement-Techniken anwenden: Eine bekannte und wirksame Zeitmanagement-Technik ist die Pomodoro-Technik. Du arbeitest fokussiert in 25-Minuten-Intervallen und machst danach eine 5-Minuten-Pause. Nach dem 4. Intervall machst Du eine längere Pause. Das hilft über längere Zeit, konzentriert zu bleiben und verhindert, dass man sich ausgebrannt fühlt.
Eigenen Chronotyp kennen: Finde heraus, wann Du am produktivsten bist, und nutze diese Zeiten für wichtige und anspruchsvolle Aufgaben. Bist Du eher eine ‹Lerche› oder eine ‹Eule›?
Prioritäten setzen: Ohne klare Prioritäten neigen wir dazu, uns von weniger wichtigen Aufgaben ablenken zu lassen. Nutze eine strukturiertes Pendenzen-Management, um die wichtigsten Prioritäten stets im Fokus zu behalten.
Verantwortung übernehmen: Verantwortung ablegen, z.B. durch regelmässige Rechenschaft bei einem Kollegen oder Coach. Das kann helfen, Aufgaben konsequent zu erledigen.
Langfristige Ziele visualisieren: Halte Dir z.B. anhand einer Skizze oder einer Mindmap vor Augen, wie das Erledigen einer Aufgabe zu Deinen langfristigen Zielen beiträgt, um Motivation zu gewinnen.
Fazit
Starke Prokrastination ist mehr als nur das Aufschieben von Aufgaben – sie kann langfristig ernste Konsequenzen für die psychische Gesundheit haben. In stressigen Umgebungen, in denen hohe Anforderungen bestehen (z.B. als Führungskraft), erhöht häufiges Aufschieben das Risiko emotionaler Erschöpfung. Studien zeigen, dass Menschen, die regelmässig prokrastinieren, häufiger unter Stress und Schuldgefühlen leiden – Faktoren, die das Risiko für Burnout verstärken.
Die gute Nachricht ist: Prokrastination lässt sich überwinden. Indem man die Ursachen des Aufschiebens erkennt, klare Prioritäten setzt, Aufgaben in kleine Schritte zerlegt und effektive Zeitmanagement-Techniken anwendet, kann der Teufelskreis des Aufschiebens durchbrochen werden. Es erfordert Geduld und Disziplin, aber mit der richtigen Herangehensweise kann man nicht nur produktiver arbeiten, sondern auch die mentale Gesundheit schützen.
Bei Bedarf unterstütze ich Dich gerne als Coach und Berater auf dem Weg zu mehr Produktivität, Selbstmanagement und Zufriedenheit in Deinem Business-Alltag.
Quellen:
Flett, G. L., Blankstein, K. R., & Martin, T. R. (1995). Procrastination, negative self-evaluation, and stress in depression and anxiety. Journal of Social Behavior & Personality, 10(2), 173-186.
Schraw, G., Wadkins, T., & Olafson, L. (2007). Doing the things we do: A grounded theory of academic procrastination. Journal of Educational Psychology, 99(1), 12-25. DOI: 10.1037/0022-0663.99.1.12
Sirois, F. M. (2014). Procrastination and stress: Exploring the role of self-compassion. Self and Identity, 13(2), 128-145. DOI: 10.1080/15298868.2013.763404
Stoeber, J., & Otto, K. (2006). Positive conceptions of perfectionism: Approaches, evidence, challenges. Personality and Social Psychology Review, 10(4), 295-319. DOI: 10.1207/s15327957pspr1004_2
Bildquelle:
Envato Elements
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